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Dank Ihrer Hilfe ist das CROCODILE-Projekt aktuell auch eine der wenigen längsschnittlichen Studien international, die Informationen über die kindliche Entwicklung vor, während und nach der Corona Pandemie erfasst. Dafür möchten wir uns herzlich bei Ihnen bedanken!

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Welche Ergebnisse wurden bisher gefunden bei CROCODILE?

Nach vier Jahren engagierter Forschung haben wir unser Projekt Mitte März 2023 abgeschlossen. Es haben ca. 580 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren aus den deutsch- und französischsprachigen Teilen der Schweiz und aus Deutschland ein- oder mehrmals an unserem Projekt teilgenommen.

Zum Abschluss des CROCODILE-Projekts möchten wir mit Ihnen einige Erkenntnisse teilen, die wir in den letzten Jahren über ein- und zweisprachige Kinder gewonnen haben.

Eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten wurde bereits an Konferenzen vorgestellt und bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften eingereicht. Viele unserer Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Frage, wie sich Sprache entwickelt und welche Rolle nicht-sprachliche Fähigkeiten und Strategien dabei eine spielen. Wir möchten Ihnen nun eine kleine Auswahl an Themen vorstellen, an denen wir zurzeit arbeiten:

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Erkennung von Gesten und sprachliche Fähigkeiten
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In unserer Studie über Gesten untersuchen wir, ob das erfolgreiche Erkennen von Gesten als Folge oder als Voraussetzung für die Sprachentwicklung betrachtet werden kann. Dazu haben wir eine Aufgabe zur Gestenerkennung entwickelt, bei der die Kinder Videos von Schauspieler:innen sahen, die Gesten ausgeführt haben (z.B. Autofahren). Nach jedem Video sollten die Kinder aus vier Bildern (z.B. Flasche, Schuh, Drachen; s. Abb. 1) das Bild auswählen, das am besten zu der Handlung im Video (z.B. Auto) passt.

Die Sprachkenntnisse der Kinder wurden in all ihren Sprachen anhand von Aufgaben zum Wortschatz und Satzverständnis erfasst. Dabei haben wir interessante Zusammenhänge zwischen dem Erkennen von Gesten und den Sprachfähigkeiten der Kinder gefunden. Das Erkennen von Gesten und die sprachlichen Fähigkeiten scheinen eng miteinander verbunden zu sein. Nun sind wir gespannt, ob wir mit unserer Aufgabe zur Gestenerkennung die weitere Sprachentwicklung vorhersagen können und auch, ob wir die Entwicklung der Gestenerkennung durch spezifische sprachliche Fähigkeiten vorhersagen können.

Lernen von neuen Wörtern

In einer anderen Studie zum Erlernen von Wörtern, die kürzlich in einer renommierten Fachzeitschrift publiziert wurde, haben wir untersucht, wie Kinder neue Wörter lernen. Dazu haben wir eine neue Aufgabe entwickelt, die aus komplett erfundenen «Pseudo-Wörtern» bestand, die in keiner der Sprachen des CROCODILE-Projekts existieren. Die Kinder sollten Sammy, dem Krokodil, Spielzeuge mit lustigen «Pseudo-Wörtern» überreichen, indem sie auf die passenden Bilder drücken (s. Abb. 2). Ziel dieser Aufgabe war es, zu beobachten, wie die Kinder vorgehen, um die Namen unbekannter Spielzeuge zu lernen. Wir haben insbesondere untersucht, wie häufig Kinder eine Strategie anwenden, die sich in der Sprachwissenschaft «mutual exclusivity» nennt. Bei dieser Strategie wird einem neuen Wort auch ein neues Objekt zugeordnet. Im folgenden Beispiel wurden die «Pseudo»-Namen der Objekte A und B im ersten Teil der Aufgabe gelernt. Ein Kind, das eine «mutual exclusivity» Strategie anwendet, würde daher einen völlig neuen «Pseudo»-Namen einem unbekannten Objekt C zuordnen, anstatt ihn den bereits bekannten Objekten A oder B zuzuordnen.

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Wir konnten zeigen, dass einsprachige Kinder diese Strategie der «mutual exclusivity» häufiger anwenden als zweisprachige Kinder. Letztere sind bereits daran gewöhnt zwei Sprachen zu verwenden und deshalb vermutlich auch eher mit der Vorstellung vertraut, dass ein Objekt mehrere Namen haben kann. Dies kann dazu führen, dass zweisprachige Kinder weniger die «mutual exclusivity» Strategie anwenden.

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Sprachlaute

Eine weitere Studie befasst sich mit den Sprachlauten, den sogenannten Phonemen. Wenn junge Kinder eine neue Sprache zum ersten Mal lernen, müssen sie zunächst die einzelnen sprachlichen Bestandteile der Sprache lernen. Einzelne Phoneme werden wie Puzzleteile zu Silben oder Wörtern zusammengesetzt. In unserer Studie haben wir eine Aufgabe entwickelt, bei der die Kinder nacheinander verschiedene erfundene «Pseudo-Wörter» von drei verschiedenen Seepferdchen-Sprecherinnen gehört haben (s. Abb. 3). Die drei «Pseudo-Wörter», die von den Seepferdchen gesprochen wurden, waren alle sehr ähnlich. Zwei waren genau gleich, aber eines der «Pseudo-Wörter» unterschied sich von den anderen beiden in genau einem Laut (z. B. [eet] vs. [eel] im Beispiel unten). Bei dieser Aufgabe sollten die Kinder das leicht abweichende «Pseudo-Wort» erkennen und auf das entsprechende Seepferdchen tippen (z. B. hier Seepferdchen 3).

Wir konnten zeigen, dass ältere Kinder die Aufgabe besser lösen konnten als jüngere Kinder. Wir nehmen an, dass dies mit der besseren Gedächtnisleistung von älteren Kindern zusammenhängt. Diesen Zusammenhang untersuchen wir derzeit genauer.

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Wie helfen Sprachlaute Kindern beim Erlernen einer Sprache und bei der Entwicklung einer guten Gedächtnisleistung?

In unserem Projekt wollten wir herausfinden, wie gut ein- und zweisprachige Kinder mit den unterschiedlichen Sprachlauten umgehen, die sie aus den gesprochenen Wörtern ihrer Sprache(n) kennen. Sobald Kinder lernen, dass zum Beispiel die Laute «t» und «k» unterschiedlich sind, hilft ihnen das, Wörter wir «Kasse» und «Tasse» besser zu lernen und zu unterscheiden. Das Wissen über Sprachlaute und darüber, wie Laute in Wörter angeordnet sind, ist unglaublich wichtig. Einerseits hilft es Kindern, immer mehr Wörter zu lernen, andererseits unterstützt es Kinder dabei komplexe Sätze zu verstehen. Diese Fähigkeit ist auch nützlich, wenn Kinder Lesen und Schreiben lernen. Mit der Erforschung dieser Prozesse sowohl bei einsprachigen als auch bei zweisprachigen Kindern können wir viel über wirksame Strategien beim Spracherwerb erfahren. Ferner können wir dadurch auch herausfinden, ob diese Prozesse beim Erlernen einer oder mehrerer Sprachen gleich oder anders verlaufen.

Wenn wir Kinder Fantasiewörter wiederholen lassen, können wir auch überprüfen, wie gut sie gesprochene Informationen im Gedächtnis behalten können. Um neue Dinge zu lernen, sind gute Gedächtnisfähigkeiten essentiell. Gute Gedächtniskompetenzen sind für viele Denk- und Lernprozesse wichtig, nicht nur um Sprachen zu lernen!

In unserer Forschung hörten ein- und zweisprachigen Kindern verschiedene erfundene Fantasiewörter: Zu Beginn hörten sie kurze Wörter wie «no-ga», mit der Zeit wurden sie länger und schwieriger bis hin zu Wörter wie «bo-ga-de-su-ni». Ein wichtiger Aspekt dieser Fantasiewörter ist, dass sie keine Bedeutung haben und eine sehr einfache Silbenstruktur aufweisen, wie sie in praktisch allen Sprachen der Welt zu finden ist. Wir baten die Kinder so gut wie möglich zuzuhören und die gehörten Wörter so genau wie möglich nachzusprechen. Wir überprüften dann, wie gut sich die Kinder die Laute merkten und diese in der richtigen Reihenfolge wiederholen konnten.

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Das sind unsere Ergebnisse:

  • Älteren Kindern gelang es besser, die Wörter richtig zu wiederholen als jüngeren Kindern. Mit der Zeit und mit zunehmendem Alter wurden alle Kinder besser darin, die Fantasiewörter richtig zu wiederholen.

  • Einsprachige und zweisprachige Kinder unterschieden sich nicht in Bezug auf das Erinnern von Lauten.

Haben Sie bemerkt, wie zweisprachige Kinder beim Sprechen zwischen ihren Sprachen wechseln?

Bei zweisprachigen Kindern ist es üblich, beim Sprechen zwischen verschiedenen Sprachen zu wechseln. Dies wird als «Sprachenwechsel» bezeichnet und kommt häufig vor, wenn jemand mehr als eine Sprache spricht. Wenn wir untersuchen, warum und wie Zweisprachige dies tun, können wir besser verstehen, wie sie mit beiden Sprachen umgehen. Dies kann uns Aufschluss darüber geben, wie das Gehirn Aufmerksamkeit lenkt, sich an Informationen erinnert und Sprache aktiviert.

Wir wollten herausfinden, ob das Sprachwechselverhalten zweisprachiger Kinder ein Zeichen dafür ist, wie gut sie beide Sprachen beherrschen können, oder ob es sich um eine clevere Strategie zur Überwindung lexikalischer Lücken handelt. Deshalb untersuchten wir, inwieweit die Kenntnisse eines zweisprachigen Kindes in beiden Sprachen einen Einfluss darauf haben, wie oft es diese Sprachwechsel vornimmt. Dank der von den Eltern ausgefüllten Fragebögen, in denen gefragt wurde, wie oft zweisprachige Kinder zwischen den Sprachen wechseln und warum sie dies tun, kamen wir zu interessanten Ergebnissen:

  • Kinder neigen im Allgemeinen dazu, zu einer Sprache zu wechseln, weil sie diese gut beherrschen. Dafür gibt es verschiedene Gründe, z.B. weil Kinder bestimmte Wörter in einer Sprache nicht kennen, weil sie sich in einer bestimmten Sprache wohler fühlen oder weil sie die Sprache wechseln, um ihre Unterhaltungen interessant und lustig zu gestalten.

  • Wir haben auch festgestellt, dass Kinder, die beide Sprachen beherrschen, häufig zu der Sprache wechseln, die in ihrer Gemeinschaft verwendet wird (Deutsch). Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihr Kind häufig ins Deutsche wechselt.

 

Auf der Grundlage unserer und anderer Untersuchungen möchten wir Sie daran erinnern, dass es ein Zeichen für die guten Sprachkenntnisse ist, wenn Ihr zweisprachiges Kind zwischen den beiden Sprachen wechselt. Ihr Kind verwendet beide Sprachen auf clevere Weise, um mit verschiedenen Menschen und in verschiedenen Situationen zu kommunizieren. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut Kinder mit verschiedenen Sprachen umgehen können!

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Wie hilft uns die Sprache, unsere Gefühle auszudrücken und eine emotionale Verbindung zu anderen aufzubauen?
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Neben der Sprache haben wir auch die soziale und emotionale Entwicklung von ein- und zweisprachigen Kindern in unterschiedlichen (sprachlichen) Umgebungen untersucht. Sozial-emotional kompetent zu sein bedeutet, seine Gefühle zu verstehen, zu beherrschen und mit anderen zurechtzukommen. Es geht darum zu wissen, wie man Freundschaften schliesst, mit Meinungsverschiedenheiten und mit verschiedenen Gefühlen wie Freude, Traurigkeit oder Wut umgeht. Hier kann Sprache helfen, soziale Interaktionen zu initiieren, Beziehungen zu stärken und das eigene Verhalten zu regulieren.

Kinder passen sich gut an unterschiedliche Sprachen und soziale Regeln an. Zu erfassen, welche Kommunikationsstrategien Kinder nutzen und welche Unterschiede zwischen einsprachigen und zweisprachigen Kindern bestehen, kann Lehrpersonen helfen zu verstehen, wie Kinder kommunizieren, um ihre Sprachfähigkeiten optimal zu fördern. Indem wir untersuchen wie Kinder mit anderen interagieren, können wir Eltern und Lehrpersonen darüber hinaus informieren, wie sie positive Beziehungen und Kooperation zu und mit Gleichaltrigen fördern können. In unserer Studie untersuchten wir daher anhand der ausgefüllten Elternfragebögen, wie ein- und zweisprachige Kinder im frühkindlichen Kontext Freundschaften schliessen und wie ihre Sprachkenntnisse (entweder die Landessprache oder die Familiensprache) zum Sozialverhalten beitragen.

 

Folgendes haben wir herausgefunden:

  • Einsprachige und zweisprachige Kinder unterschieden sich nicht in ihren sozialen Fähigkeiten, die von ihren Lehrern bewertet wurden.

  • Kinder, die gut kommunizieren können, finden leichter Freunde und fühlen sich in der Nähe anderer wohl.

  • Je nachdem, ob Kinder einsprachig oder zweisprachig sind, können unterschiedliche Aspekte der Sprache für das Zusammenleben mit Gleichaltrigen und Lehrpersonen wichtiger sein. Im frühen Alter scheint beispielsweise für einsprachige Kinder eine starke Sprechfähigkeit in der Landessprache die sozialen Fähigkeiten zu fördern, während eine starke Verständnisfähigkeit (d.h. die Fähigkeit zu verstehen was gesprochen wird) in der Landessprache vor allem für zweisprachige Kinder wichtig ist. Die Fähigkeit zu verstehen, was Gleichaltrige und Lehrpersonen sagen, ermöglicht es zweisprachigen Kindern, erfolgreich an sozialen Interaktionen teilzunehmen und Anweisungen zu befolgen.

  • Bei zweisprachigen Kindern in einem frühkindlichen Umfeld scheinen nur die Kenntnisse in der Landessprache, nicht aber Kenntnisse in der Herkunftssprache, zum Sozialverhalten beizutragen. Dies könnte auf den Kontext zurückzuführen sein, in dem wir das Sozialverhalten untersucht haben, was aber nicht heissen soll, dass die Herkunftssprache in anderen Kontexten nicht wichtig sind!

  • Gute Kenntnisse der Landessprache sind wichtig, um im Kontext der Früherziehung mit anderen zurechtzukommen.

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Bei diesen Beschreibungen handelt es sich nur um eine Auswahl der Forschungsarbeiten, die derzeit auf der Grundlage der im Rahmen des CROCODILE-Projekts gesammelten Daten durchgeführt werden. 

Hier finden Sie weitere wissenschaftliche Publikationen:

Belogi, S., Segerer, R., Volpin, L., & Skoruppa, K. (2022). Language-Fair Fast Mapping and Mutual Exclusivity Tasks for Mono-and Bilingual Preschoolers. Journal of Speech, Language, and Hearing Research, 65(9), 3531-3538. https://doi.org/10.1044/2022_JSLHR-21-00528

Jurkic, A., Halliday, S. E., & Hascher, T. (2023). The relationship of language and social competence of preschool- and kindergarten-age single and dual language learners in Switzerland and Germany. Early Childhood Research Quarterly, 64, 72–83. https://doi.org/10.1016/j.ecresq.2023.02.003

Mangold, M., Lenhard, W., Schindler, J., Schulz, D., & Richter, T. (2023). Assessing vocabulary of bilingual German-Turkish preschool children. Bilingualism: Language and Cognition, 1-12. https://doi.org/10.1017/S1366728923000822

Schächinger Tenés, L. S., Weiner-Bühler, J. C., Volpin, L., Grob, A., Skoruppa, K., & Segerer, R. K. (2023). Language proficiency predictors of code-switching behavior in dual-language-learning children. Bilingualism: Language and Cognition, 1-17. https://doi.org/10.1017/S1366728923000081

Schulz, D., Segerer, R., Lenhard, W., Mangold, M., Schindler, J., & Richter, T. (2023). Assessing inhibitory control in kindergarten children: Validity of integrating response accuracy and response latency. Cognitive Development, 68, 101392. https://doi.org/10.1016/j.cogdev.2023.101392 

Schulz, D., Richter, T., Schindler, J., Lenhard, W., & Mangold, M. (2023). Using Accuracy and Response Times to Assess Inhibitory Control in Kindergarten Children: An Analysis with Explanatory Item Response Models. Journal of Cognition and Development, 24(1), 82-104. https://doi.org/10.1080/15248372.2022.2119977

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